ApoptoSENS: Dysfunktionale Zellen entfernen

Geschrieben von: Dennis Rudolph
Mittwoch, 23. Mai 2018 um 15:41 Uhr

Die Forschungseinrichtung SENS Research Foundation hat sieben Programme ins Leben gerufen, um den menschlichen Alterungsprozess sowie Maßnahmen dagegen zu beschreiben. In diesem Artikel geht es um ApoptoSENS um Zellen zu beseitigen, die ihre Funktion verloren haben und Schäden anrichten.

Das Problem

Unsere Zellen haben eine eingebaute Steuerung, die sie manchmal weit weg von ihrer normalen Bestimmung abbringt. Ein Teil dieser Steuerung hält nach Zuständen, die innerhalb der Zelle entstehen Ausschau, die ein Risiko für den restlichen Körper darstellen könnten; es bestehen ähnliche Mechanismen, wenn der Körper keinen Bedarf mehr an der Funktion hat, die die Zelle normalerweise erfüllt. Diese Zellen zu solchen Veränderungen zu zwingen wird evolutiv favorisiert, da es den kurzfristigen Bedürfnissen entspricht, außerdem ist es praktisch harmlos ein paar dieser abnormalen Zellen im Körper zu haben. Die Anzahl dieser Zellen in unseren Geweben steigt mit der Zeit jedoch sukzessive an, bis sie etwa in unserer fünften Dekade ein Niveau zu erreichen beginnen, das der normalen Gewebefunktion schadet. Beispiele sind etwa:

Klassische seneszente Zellen

Die ursprünglichen und am besten untersuchte Form dieses Zelltyps sind die sogenannten “seneszenten” Zellen. Seneszente Zellen begannen ihre Existenz als Hautzellen oder verwandte Zellen, die normalerweise eine unterstützende Rolle in anderen Organen erfüllen, aber dann in einen abnormalen Zustand gezwungen wurden, in dem sie als Schutzmechanismus gegen eine Bedrohung ihre Fähigkeit zur Zellteilung und Vermehrung verloren haben. So ist etwa in Zellen das Seneszenz-Programm aktiviert, in denen riskante Veränderungen ihrer DNA-Expression vorkommen, die sie in Richtung Krebs treiben; es ist auch in gewissen Zellen der Wundheilung aktiviert, um zu verhindern, dass sie ihre Grenzen überschreiten und ein übermäßiges Wachstum von fibrösem Bindegewebe hervorrufen.

Zusätzlich zu ihrem Wachstumsstopp sondern seneszente Zellen aber auch unüblich hohe Mengen von Proteinen ab, die das Immunsystem entzünden und die normale unterstützende Gewebearchitektur abbauen. Die relativ kleine Anzahl solcher Zellen im jugendlichen Gewebe ist so gering, dass sie harmlos ist, aber nach Jahrzehnten der Anhäufung wird die Menge groß genug, dass ihr abnormaler Stoffwechsel eine Bedrohung für die umgebenden gesunden Gewebe zu werden beginnt. Eine größere Anzahl seneszenter Zellen in einem Gewebe machen es anfälliger auf die Ausbreitung von Krebs, fördern Entzündungen und bringen die lokale Aktivität des Immunsystems durcheinander.

Zellen im Fettgewebe

Es ist allgemein bekannt, dass man aufgrund des degenerativen Alterungsprozesses Muskelmasse verliert. Viel weniger verstanden ist, dass auch Fettmasse in der vierten Dekade beginnt zurückzugehen, wenn auch langsamer - und es ist ein Rückgang, den man nicht durch die verminderte Energieaufnahme alleine erklären kann. Der Prozess ist jedoch ungleichmäßig, er führt zur relativen Anhäufung von Fettgeweben an gewissen Stellen, während es an anderen Stellen sogar fast ganz verschwindet. In diesem Prozess beginnt sich das Fettgewebe abnormal zu verhalten, in dem es große Mengen Signalmoleküle absondert, welche Entzündungen verursachen und den Körper resistenter gegenüber dem Hormon Insulin machen. Diese altersbedingten Anomalien führen dann zu einer Reihe von ungesunden Stoffwechselveränderungen, inklusive einer verminderten Fähigkeit Blutzucker als Reaktion auf das Hormon Insulin aus dem Blut zu transportieren.

Die Gründe, wieso das Fettgewebe während der Altersdegeneration verrückt spielt, liegen jedoch nicht in den Fettzellen selber (Adipozyten - diejenigen, welche überschüssige Kalorien speichern). Die Schuldigen sind stattdessen zwei andere Zellarten, die im Fettgewebe ansässig sind: Präadipozyten und viszerale Fettgewebsmakrophagen (FGM). Präadipozyten sind die Vorläuferzellen, aus denen Fettzellen gebildet werden. Ob schlank oder übergewichtig beginnen sie sich in allen Leuten durch die degenerative Alterung abnormal zu verhalten: ihre Genexpression verändert sich, sie setzen mehr Entzündungsfaktoren frei und sie können sich nicht mehr reproduzieren und in reife Fettzellen entwickeln, was einer der Gründe sein könnte, wieso der Pegel an ungesunden freien Fettsäuren im Blut im Alter ansteigt. Alternde Präadipozyten bilden auch ein großes Tröpfchen abnormal gespeicherter Fettmoleküle in sich, was vielleicht ein Grund ist, wieso sie und ihre Nachkommen resistenter gegen Insulin werden als die entsprechenden Zellen im Fettgewebe von jüngeren Leuten.

Die andere ungesunde Veränderung, welche mit der Zeit im Fettgewebe geschieht, findet im sogenannten viszeralen Fett statt - das Fettgewebe, das den Bauch und die Leber umgibt. Es ist mittlerweile allgemein bekannt, dass der Großteil des durch Fettleibigkeit verursachten Stoffwechselschadens daher rührt, wenn man zu viel Fett insbesondere im viszeralen Depot hat (was Leute “apfelförmig” anstatt “birnenförmig” macht). Der degenerative Alterungsprozess führt dazu, dass ein höherer Prozentsatz des Gesamtfetts ins viszerale Fettgewebe verschoben wird und auch in anormale Speicher in den Muskeln und der Leber.

Weniger gewürdigt wird der Grund, wieso überschüssiges viszerales Fett stoffwechselmäßig so schädlich ist: es bewirkt eine Vermehrung und Anhäufung einer Sorte Immunzellen namens Fettgewebsmakrophagen (FGM) im viszeralen Fettgewebe. Dies könnte ein Versuch des Immunsystems darstellen, den Trümmerhaufen von aufgeblähten, sterbenden Fettzellen aufzuräumen, wenn überschüssige Energiemengen in die lokalen Adipozyten gesteckt werden und eine adäquate Blutversorgung schwieriger wird. Wie seneszente Präadipozyten sind auch FGM hoch inflammatorische Zellen und ihre Anhäufung im viszeralen Fett ist vermutlich ein Hauptgrund dafür, dass fettleibige Leute insulinresistent werden, auch wenn sie noch keine anderen degenerativen Alterungsveränderungen erfahren haben. Es ist auch möglich, dass degenerative Alterung selbst Auswirkungen auf die Funktion der FGM hat, welche über das hinausgehen, was der reinen Masse an viszeralem Fett und der Anzahl von FGM im Gewebe zugeschrieben werden kann.

Immunzellen

CD8+ T-Zellen (oder Killer T-Zellen) sind eine Sorte von Immunzellen, die auf die Zerstörung von Zellen spezialisiert ist, die von Viren oder Krebs gekapert wurden. Killer T-Zellen entstehen zunächst als naive Zellen, die Ausschau nach völlig neuen Bedrohungen halten. Um ihre Aufgabe jedoch zu erfüllen müssen sie sich spezialisieren, indem sie von anderen Immunzellen ausgebildet werden, wie eine ganz bestimmte Bedrohung erkannt, ausfindig gemacht und eliminiert wird. Während aber die Gesamtzahl an Eindringlingen, die dem Körper begegnet sind, mit jedem Lebensjahr ansteigt, kann dies die Gesamtzahl der Killer T-Zellen nicht: die Gesamtsumme aller verschiedenen spezialisierten Zellen plus die naiven Zellen wird über die Zeit konstant gehalten. Daher kann ein Anstieg einer Anzahl von Killer T-Zellen mit einer bestimmten Spezialisierung nur auf Kosten eines Rückgangs an Zellen mit anderen Spezialisierungen (oder naiven Zellen) erfolgen.

Als Teil des degenerativen Alterungsprozesses entsteht ein Ungleichgewicht in der Population der Killer T-Zellen. Bestimmte Untergruppen von Killer T-Zellen weigern sich, ihre Anzahl zu dezimieren, um Platz für andere Untergruppen zu machen. Stattdessen beginnen sie, einen immer größeren Anteil des limitierten immunologischen „Raums“ zu besetzen – sie verdrängen buchstäblich Zellen, die andere Infektionen bekämpfen sollten. Dieser Verdrängungseffekt gilt als einer der Hauptgründe für die schwächeren Immunantworten im Alter, weshalb so viele Leute über 65 jeden Winter an Grippe oder Lungenentzündung sterben oder hospitalisiert werden, während sich jüngere Personen nach ein paar Tagen im Bett erholen. Dieser Verdrängungseffekt ist auch ein Grund, wieso Impfungen in älteren Leuten weniger wirksam sind als in jungen: es sind weniger naive Zellen verfügbar, denen der Impfstoff die Erkennung einer neuen Bedrohung „beibringen“ kann.

Die Lösung

Alle diese verschiedenen Arten von abnormalen Zellen treten in verschiedenen Geweben auf und die Probleme, die sie verursachen, sind voneinander verschieden. Trotzdem kann dieselbe Grundstrategie angewandt werden, um die schädlichen Auswirkungen von ihnen allen zu eliminieren, nämlich die Vernichtung dieser Zellen. Es gibt zwei Hauptansätze, die eingesetzt werden könnten, um dies zu erreichen: Entwicklung eines Medikaments, das für die ungewünschten Zellen schädlich ist oder sie zur Selbstzerstörung bringt, aber gesunden, normalen Zellen nicht schadet; oder Stimulation des Immunsystems, die Zielzellen selektiv ausfindig zu machen und zu zerstören.

Der wahrscheinlichste Weg, diese abnormalen Zellen selektiv aufs Korn zu nehmen, wäre die Moleküle auf ihrer Oberflächen zu nutzen, die charakteristisch für sie sind. Glücklicherweise haben verschiedene Zelltypen üblicherweise verschiedene Moleküle auf ihrer Oberfläche, welche verschiedene Aufgaben in ihrer spezialisierten Rolle im Gewebe spielen. Daher ist es eine Frage der Identifikation und Anvisierung von Markern auf der Zelloberfläche, die speziell für diese abnormalen Zelltypen sind.

Diese Strategie ist bereits Grundlage für einige Krebstherapien, die das Wachstum ihrer Zielstruktur abschalten oder Immunzellen anlocken, die sie zerstören. Es sind bereits einige dieser Marker für anergische Killer T-Zellen und für FGM bekannt. Daher ist es eine Frage von investierter Zeit und Mühe, eine Palette solcher Marker zu entwickeln, die sie definitiv identifizieren und dann ein zugehöriges Verfahren, das die Zellen beseitigt.

Vielleicht gibt es auch vereinfachende Möglichkeiten, anergische T-Zellen als Teil der Errichtung einer undurchdringlichen Verteidigung gegen Krebs anzupeilen und/oder zu zerstören. Sollte sich die OncoSENS-Strategie tatsächlich als schlussendlich einziger sicherer Hafen gegen diese schreckliche Krankheit herausstellen, dann wird es Teil des umfassenden Spektrums von Verjüngungs-Therapien sein, diejenigen Zellen zu ersetzen, die T-Zellen hervorbringen und zwar mit makellosen, umfunktionierten Zellen, welche unempfindlich gegenüber Krebs sind. Falls wir uns jedoch bereits für diesen Weg entschieden haben, dann ist es eine sehr kleine Sache, die Ersatzzellen mit zusätzlichen Eigenschaften auszustatten, die sie anfällig für ApoptoSENS- Therapien machen, wenn sie anergisch werden.

Vom SENS Forschungsinstitut finanzierte Forschung

Das Immunsystem verjüngen

Der fortschreitende Verlust der Bandbreite in der Armee der Killer T-Zellen im Körper als Resultat der immunologischen „Verdrängung“ ist einer der beiden Gründe für unsere wachsende Anfälligkeit gegenüber Viren und anderen Krankheitserregern im Laufe der degenerativen Alterung. Der andere ist der Verlust der Fähigkeit, neue T-Zellen zu bilden aufgrund von degenerativen Veränderungen in der Thymusdrüse, welche für die Reifung der T-Zellen verantwortlich zeichnet. Die SENS Research Foundation finanziert Proof-of-Concept-Forschung an der Universität von Arizona, um die Gesundheit des Immunsystems in alternden Mäusen wiederherzustellen indem die Fähigkeit, neue Killer T-Zellen zu produzieren erhöht wird und gleichzeitig Raum für sie geschaffen wird, indem defekte Zellen aus dem System eliminiert werden.

Seneszente Zellen und ihre Sekrete ins Visier nehmen

Im Labor von Dr. Judith Campisi am Buck-Institut für Alterungsforschung, setzt der Doktorand Kevin Perrott Hochdurchsatz Screening-Methoden ein, um neuartige Substanzen zu identifizieren und charakterisieren, die entweder seneszente Zellen dazu veranlassen „zellulären Freitod“ (Apoptose) zu begehen oder ihre abnormale Sekretion von entzündungsfördernden Proteinen wie Interleukin-6 zu reduzieren.

Sonstiges:

Letzte Aktualisierung der Übersetzung: 18.12.2015

Englische Version unter http://sens.org/research/introduction-to-sens-research/deathresistant-cells

Wichtig: Diese Website ist kein offizieller Teil der SENS-Forschung. Im Zweifel bitte die englische Original-Version benutzen.

Alle Programme: AmyloSENS, LysoSENS, GlycoSENS, OncoSENS, MitoSENS, RepliSENS und ApoptoSENS

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